top of page
Image by Elena Joland

Der Blog

AutorenbildChristianeMaria

Warum Diäten scheitern…Teil 1: Das Minnesota Starvation Experiment

Zu lange habe ich gedacht, dass ich nur durch ein Kaloriendefizit Gewicht verlieren könnte. Dass ich aber immer wieder scheiterte und das Gewicht auch wieder zugenommen habe oder sogar noch mehr, das habe ich lange Zeit ignoriert. Ich dachte, dass ich einfach zu wenig Durchhaltevermögen hätte und meine Abnehmversuche deswegen immer scheiterten. Als ich mich dann mit intuitiver Ernährung beschäftigt habe, stieß ich irgendwann auf das Minnesota Starvation Experiment.

Das Experiment wurde 1944 an der University von Minnesota durchgeführt. Entwickelt wurde es von dem Ernährungswissenschaftler Ancel Keys. In diesem Experiment wurde erforscht was passiert, wenn man in die „semi-starvation“ geht, also wenn man halb-verhungert sowie die Folgen von Hunger. Der Hintergrund hierzu war eine Rehabilitationsstrategie für diejenigen zu finden, die während dem Krieg unter Hunger und dessen Folgen leiden mussten. Das Vorgehen sah in etwa wie folgt aus: Zuerst wurden Personen rekrutiert, dann ihre Kalorienzufuhr (durchschnittlich 3120 Kalorien pro Tag) ermittelt, anschließend wird die Kalorienzufuhr drastisch vermindert, um diesen Zustand der „semi-starvation“ zu erhalten. Das Experiment wurde über eine Dauer von zwölf Monaten durchgeführt, welche über drei Phasen aufgeteilt wurden. Zuerst die Kontrollphase, welche sich über die ersten drei Monate zog. Anschließen die „Semi-Starvation“-Phase, welche sich über sechs Monate zog und abschließen zur dreimonatigen Rehabiliationsphase. Insgesamt waren es 36 Probanden in einem Alter von 22 bis 33 Jahren und einem Durchschnittgewicht von 69 Kilogramm sowie einer Durchschnittsgröße von 177 Zentimetern. Alle waren fit und aktiv waren und gingen einer Beschäftigung nach. Gleichzeitig wurde eine wöchentliche gehende Aktivität verordnet, die in etwas 64 Kilometer betrug, also ca. 9,14 Kilometer pro Tag, die von jedem Probanden zurückgelegt werden mussten. Zudem erhielten die Probanden Jobs, die sie für etwa 15 Stunden pro Woche durchführen mussten. Übliche Tätigkeiten waren beispielsweise Holzhacken. Die „Semi-Starvation“-Phase war so angesetzt, dass die Probanden ein Kaloriendefizit bekommen, dass sie in etwa 25% ihres Anfangsgewicht (etwa 52 kg) über die Zeit verlieren würden. Nahm ein Proband zu wenig ab wurde das Kaloriendefizit erhöht und weitere Restriktionen eingeführt. So wurde jedes Nahrungsmittel genauestens portioniert, gewogen und berechnet. Wasser, schwarzer Kaffee, Kaugummis und Zigaretten durften ohne Regeln konsumiert werden. Die einzige Bedingung, die an die Probanden gestellt wurde, war, dass lediglich in der Kantine gegessen werden durfte und nirgendwo anders. Zudem mussten sie grundsätzlich zu zweit zum Essen gehen, damit kein Proband mogeln konnte.

In der „Semi-Starvation“-Phase wurde also die durchschnittliche Kalorienzufuhr von ca. 3120 Kalorien auf 1570 Kalorien pro Tag reduziert, also um mehr als 50% heruntergesetzt. Die Ernährung bestand überwiegend aus Salat, Brot und Kartoffeln, dies entsprach so etwa dem was die Hungernden im Krieg zu Essen bekamen.

Dieses „halb-verhungern“ führte bei den Probanden zu folgenden Ergebnissen: Die meisten Probanden wollten keinen Aktivitäten mehr nachgehen und isolierten sich. Der Konsum von Kaugummi, Wasser und Kaffee erhöhte sich stark. Die Probanden gaben ununterbrochen an Essen denken zu müssen. Sie verloren stark an Ausdauer und Muskelkraft. Auch an der Stimmung änderte sich bei vielen Probanden einiges, so waren viel schnell verärgert. Im Verlauf der Studie verloren viele den Fokus und das Ziel des Experiments aus den Augen, der Wunsch das Experiment zu Ende zu bringen verschwand zunehmend. Nach 15 Wochen in der „Semi-Starvation“-Phase wurde ein „Cheat Meal“ angeboten, dies brachte den Probanden neues Leben und Motivation das Experiment doch noch zu Ende zu bringen. Wasseransammlungen, am Körper, vor allem an den Gelenken, waren stark verbreitet und beeinflusste die Erfassung des tatsächlichen Körpergewichts. Die Körpertemperatur sank von 37 Grad auf 35,44 Grad, gleichzeitig fiel der Puls von 55 auf 35 Schläge pro Minute. Das Bedürfnis zu Mogeln wurde immer größer und interessanter für die Probanden. Der Betrug wurde aber grundsätzlich verschwiegen und das Gefühl des Versagens machte sich breit. Müdigkeit und Mattigkeit waren ihr tägliche Begleiter. Die Fähigkeit sich zu konzentrieren nahm stark ab. Musik wurde für viele schnell unerträglich, da sich in Folge des Hungers der Hörsinn stärkte – so sprachen die Probanden auch mit einem geringeren Volumen. Die Haare wurden brüchig und dünnten stark aus. Zudem verloren die Teilnehmer ihr sexuelles Verlangen und das Interesse am anderen Geschlecht.

In der Rehabilitationsphase wurde die Gruppe dann dreigeteilt. Jede Gruppe erhielt eine unterschiedliche Kalorienzufuhr, die jedoch nicht stark höher war als in der „Semi-Starvation“-Phase. Man kann sich vorstellen, dass keiner darüber erfreut war, dass das Defizit nach wie vor anhielt. So nahm jeder an, in der Gruppe zu sein, in der sie am wenigsten Kalorien erhielten. Keiner verspürte eine Erleichterung, da die Zufuhr immer noch stark reduziert war und die Phase doch bereits so lange herbei ersehnt wurde. Nach wie vor hatten die Probanden nicht viel anderes im Kopf, als über Essen nachzudenken. Jedoch verschwand der Heißhunger mit der Zeit und die Stimmung verbesserte sich. Die Rehabilitation sowie die Gewichtszunahme schritten nur sehr langsam fort.

Einige Probanden blieben auch noch nach dem Ende der Rehabiliationsphase. Sie unterlagen nun keinen Restriktionen mehr. Im Durchschnitt nahmen die Probanden täglich über 5200 Kalorien zu sich – einige sogar bis zu 11000 Kalorien am Tag. Die Probanden haben meistens bis zur Übelkeit gegessen oder sogar darüber hinaus und sie nahmen unwahrscheinlich schnell an Körperfett zu - die meisten nahmen sogar über ihr Ausgangsgewicht zu. Die Probanden, die nach der Rehabiliationsphase das Experiment verließen, berichteten von selben Erfahrungen.

Und kannst du dich wiedererkennen? Hast du dich vielleicht gefragt wie es sein kann, dass du andauernd nur müde und erschöpft bist? Kennst du die ununterbrochenen Gedanken an Essen? Die Kälte in deinem Körper und Ödeme in den Beinen? Die Fressanfälle und der „Jojo-Effekt“, der gleich mal noch paar Extrakilos gratis oben draufgegeben hat? Ich selbst hätte damals gedacht, dass 1500 Kalorien am Tag ja echt noch verdammt viel sind. Ich habe in der Diätphase meistens zwischen 1200 und 1500 Kalorien am Tag gegessen. Meine Libido war völlig im Eimer und quasi nicht mehr vorhanden – ich hätte ohne Probleme abstinent leben können. Meine Haare sind ausgefallen und meine Nägel waren brüchig. Ich war super schnell gereizt und ich habe ständig gefroren. Und ich konnte an nichts anderes mehr Denken, als an Essen und was ich als nächstes Essen werde.

Ich kann nur sagen, dass mir das Experiment die Augen geöffnet hat. Das Ergebnis dieses Experiments gleicht so unglaublich vielen gescheiterten Diäterfahrungen von heute - wo man einfach auf ein Kaloriendefizit setzt, um die schnellsten Ergebnisse zu erzielen. Gefolgt von schlechtem Gewissen und Scharm, wenn man dann in Fressanfälle rutscht und den Fehler an sich sucht, anstatt der Tatsache, dass Diäten dieser Art das Scheitern prophezeien.

LED Schild Hungry

Comments


bottom of page